Klimaschutz und bezahlbares Wohnen

 Über eine ausbleibende Diskussion 



Klimaschutz ist derzeit in aller Munde und selbstverständlich springen die meisten Politiker und Medien auf dieses Mainstreamthema auf. Natürlich ist Klimaschutz wichtig. Jedoch ist die Debatte damit schon wieder bequem verkürzt. Viel umfassender wäre es, über den Schutz der natürlichen Ressourcen zu sprechen. Freilich ist auch jenes sehr plakativ. So lange es sich um abstrakte Forderungen handelt, sind schließlich wiederum fast alle dafür. Es ist äußerst nützlich, es nicht zu konkret werden zu lassen. Die sprichwörtlichen Windräder lassen grüßen. Was hat aber nun das eine (Klimaschutz) mit dem anderen (Wohnen) zu tun? Die politischen Institutionen haben in den vergangenen Jahren es versäumt, einen echten Diskurs mit der Gesellschaft darüber zu führen. 



Umweltschutz bedeutet Verzicht. Die industrialisierten Länder gründeten und gründen ihren Wohlstand auf der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Nur werden schlechte Nachrichten an die Wähler ungern verkauft. Deshalb findet auf der anderen Seite auch keine Diskussion darüber statt, was an die Stelle des Verzichteten rücken kann. Das ist zutiefst kurzsichtig und wird sich rächen. Während Autos immer dicker werden, Zweit- wie Drittfahrzeuge zum unverzichtbaren Standard eines Haushaltes zu gehören scheinen und Kinder mit dem persönlichen Chauffeur in die Schule gelangen, redet der Deutsche Michel gleichzeitig wie ein Schizophrener von den Emissionen des Straßenverkehrs. Wohnungen müssen auch immer mehr gebaut werden, damit Wohnen bezahlbar bleibt und Familien unterkommen. Da sind wir uns doch einig. 



1995 hatte die Bundesrepublik 81,4 Mio. Einwohner. Diese fanden sich auf 2,945 Mrd. Quadratmetern Wohnfläche zurecht. Zum Jahresende 2019 waren wir 83,2 Mio., eine Zunahme um 2,2%. Dafür standen 3,783 Mrd. Wohnfläche zur Verfügung – eine Zunahme um gute 28%! Fairerweise ist zuzugeben, dass erst seit 2010 auch Wohnheime einfließen: Also gut, ziehen wir die 21,694 Mio. m² dafür ab. Dann verbleiben nur noch 27,7% Steigerung. Besonders interessant wird es, zu fragen, wie sich die ganzen Zahlen denn eigentlich verteilen. Bis 2019 nahm die Zahl der Einfamilienhäuser, die Statistiker umschreiben das als „Wohngebäude mit einer Wohnung“, um satte 31,98% zu. Diese Häuser wurden indes nicht nur mehr, sondern zudem größer: Die darauf entfallende Wohnfläche stieg um 45,83% gegenüber 1995. Mehrfamilienhäuser boten dagegen verhältnismäßig lediglich einen Zuwachs um 19,47% Wohnfläche. Zur Erinnerung: Der Bevölkerungszuwachs beträgt im gleichen Zeitraum 2,2%.
(alle Angaben vom Statistischen Bundesamt)



Darüber könnte man schon ins Grübeln kommen, so denn der Wille und die Fähigkeit dazu vorhanden ist. Was für einen riesigen Ressourcenverbrauch gönnen wir uns. Das wird ebenso an der, leider erst seit 2004 getrennt ausgewiesenen, Wohn-Siedlungsfläche in Deutschland deutlich. Von damals 11295 qkm stieg diese bis Ende 2019 auf 13824 qkm, 22% mehr. Reicht das uns nicht? Mir kommt das Beispiel eines Bürgermeisters einer Kleinstadt in den Sinn, der keine neuen Wohngebiete ausweisen wollte, so lange im Ortskern Gebäude leer standen und bewahrte diesen damit daneben vor der Verwahrlosung. 



Jeder Bürger hat das Recht, sich niederzulassen, wo es ihm gefällt. Wer sich in Berlin oder München eine bessere Anstellung erhofft, ein größeres kulturelles Angebot, ein brummendes Nachtleben oder was auch immer der Beweggrund sein mag, darf das tun. Wenn das erwartete Einkommen sich aber doch nicht einstellt, das Leben neben der Arbeit teurer ist, als man dachte und sich deshalb die Miete nicht leisten kann, dann war die Entscheidung ökonomisch unklug. Müssen dafür der Staat, folglich die Mitbürger gerade- stehen? Bei einer Veranstaltung in meiner Stadt beklagte sich eine ältere Frau. Sie war vor wenigen Jahren hierher gezogen, weil ein Krankenhaus vorhanden ist und das sonstige Angebot natürlich auch größer. Die Miete sei aber so hoch, dass sie sich nun kaum mehr etwas leisten könne. Das Amt – sie wollte offenbar Wohngeld beantragen - habe sie darauf verwiesen, sich eine günstigere Bleibe zu suchen. Der Ort, von dem sie weggezogen war, verfügt über Ärzte, Supermarkt, Apotheke, also keinesfalls das Ende der Welt. Vielleicht sollten wir besser über unsere Ansprüche nachdenken. Und über die Eigenverantwortung eines durchschnittlich vernünftigen Bürgers. Nach den Gesetzen der Marktwirtschaft wird eine sinkende Nachfrage nach Wohnraum zu nachlassenden Preisen führen. 



Die bereits vorhandenen Ressourcen können durch entsprechende Strukturpolitik besser genutzt werden. Das kommt in den Antworten der Politik auf die Wohnfrage selten vor. Auch in ländlichen oder deindustrialisierten Gebieten dürfen sich die Menschen nicht abgehängt fühlen. Wer zehn Jahre am Ort in seiner Wohnung lebt und die Miete nicht mehr zahlen kann, ist schutzbedürftig. Wer alle zwei Jahre umzieht, ist es nicht. Nebenbei sei bemerkt, dass Deutschland die niedrigste Wohneigentumsquote in der ganzen EU hat. Es wird des weiteren endlich Zeit, sich vom immer Mehr zu verabschieden. Von verantwortungsvollen Politikern ist zu erwarten, dass diese die gesellschaftlichen Diskussionen führen. 

Ehrlichkeit ist freilich eine undankbare Angelegenheit. Dazu gehört auch, dass immer neue Vorschriften im Namen des Klimaschutzes das Wohnen teurer werden lassen. Für Mieter und Käufer sind damit Wohlstandseinbußen verbunden, soweit sich die Investitionen nicht auf deren Ebene amortisieren. Ob jede dieser Maßnahmen wirklich sinnvoll ist oder in Einzelfällen einen anderen Makel nach sich ziehen, der dem vorrangigen Ziel geopfert wird, können Ingenieure besser entscheiden.  Ich denke an die kürzlich bekannt gewordenen Grundwasserbeeinträchtigungen durch Biozide in den gedämmten Hauswänden. Einer Risiko-Folgenabschätzung tut es not.  

Kürzlich habe ich das Buch „Exit“ von Meinhard Miegel, welches zehn Jahre in meinem Bücherregal darauf wartete, gelesen. Es ist erstaunlich aktuell. 


Thorsten Fischer, im Mai 2021